Regina liebt es bunt und kitschig. Wer ihren Balkon sieht, schüttelt entweder den Kopf oder schmunzelt im Vorbeigehen. Stiefmütterchen und rosa Vogelhäuschen. Ostereier. Tonfrösche und Gartenzwerge mit nacktem Hintern. Dazwischen die selbstgenähte blau-gelbe Wimpelkette. Und der riesige Plüschteddy, den ihr Mann Harald mal auf der Frühjahrsmesse gewonnen hat. Für manche ist das wirklich zu viel des Guten. Für Regina ist es das Paradies.
Der Balkon ist ihr Sehnsuchtsort. Ihr Lieblingsplatz. Hier kommt sie zur Ruhe und tankt auf. Wenn sie durch die Balkontür nach draußen tritt und sich an den alten Gartentisch setzt, dann fühlt sie sich frei. Hier geht alles. Mit Freunden bis tief in die Nacht feiern. Bei einem Käffchen mit der Nachbarin das 6:0 kommentieren. Das Gesicht einfach mal in die Sonne halten. Im Lockdown hat er sie wahrlich davor bewahrt, verrückt zu werden.
Dieser Ort weiß alles über sie. Hier träumt sie sich in alte Zeiten zurück, während sie die Fotos im Handy durchscrollt. Hier kann sie den Gedanken freien Lauf lassen. Und den Tränen auch. Manchmal malt sie sich die Zukunft aus und guckt dabei in den Sternenhimmel. Dann sitzt sie hier und sagt Gott, was sie braucht. Oder erzählt ihm, wie sehr sie den Hass in der Welt leid ist und hofft, dass alles gut wird.
Regina findet: Jede*r sollte ein kleines Paradies haben. Ein Ort, wo die Sehnsucht sich sonnt. Wo Träumen wie Kino ist. Wo man rauchen kann, so viel man will und auch beim dritten Stück Schmandtorte keiner schief guckt. Und wenn das Paradies, also das richtige, nur ein bisschen so ist, wie das hier – und dabei guckt sie etwas sehnsüchtig nach oben und denkt an Harald – dann wird es da so richtig schön.
