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07.01.2024 Kategorie: Propstei

Lichtblicke gibt es auch hinter Gittern

Bernhard Kiy ist als Gefängnisseelsorger für alle ansprechbar

Die Seelsorge, die geistliche Begleitung eines Menschen in Lebenskrisen, gehört zu den wichtigsten Aufgaben eines Gemeindepfarrers. Bernhard Kiy leistet diese herausfordernde Arbeit seit mehr als zwei Jahren in der Justizvollzugsanstalt Wolfenbüttel: Er ist als Pfarrer für rund 350 inhaftierte Männer und die Mitarbeiter da. „Ich bin als Gefängnisseelsorger für alle ansprechbar“, sagt Kiy. Unabdingbar dafür sei seine Ausbildung als systemischer Therapeut und Berater sowie als Supervisor. „Die Qualifizierung ist wichtig, ohne diesen Hintergrund wäre meine Arbeit nicht möglich.“

Die Männer, um die sich Kiy kümmert, sitzen ein wegen Raub, Vergewaltigung, Drogenhandel, Körperverletzung oder gar Mord. Manche sind für ein paar Monate oder Jahre hinter Gittern, andere ein Leben lang. Da fällt es schwer, Perspektiven zu erarbeiten, Mut und Zuversicht zu vermitteln. Durch lange Haftstrafen können die so wichtigen Kontakte nach draußen verloren gehen, zur Familie und zu Freunden, Ehen gehen in die Brüche, manche leiden unter Depressionen. Pfarrer Kiy kann in dieser schwierigen Situation vor allem eins tun: zuhören und da sein.

Grundlage des Gesprächs, das nur auf Antrag möglich ist, ist eine vertrauensvolle und verschwiegene Atmosphäre. Denn im Knast, so Kiy, ist das Misstrauen untereinander groß. „Jeder ist vorsichtig, wenn er etwas von sich preisgibt, niemand will erpressbar und angreifbar sein.“ Überall sei eine gewisse Anspannung zu spüren, es kommt zu Schlägereien und manchmal sei die Atmosphäre hochexplosiv. Er persönlich habe sich jedoch noch nie bedroht gefühlt.

Und doch gibt es Lichtblicke. Da ist der Mann, der nach jahrelanger Pause wieder mit dem Gitarrenspiel begonnen und sogar Konzerte vor den anderen Häftlingen gegeben hat. Andere treffen sich regelmäßig, um gemeinsam zu meditieren. Mittlerweile bietet der Pfarrer drei Gruppen in vier Häusern an für Meditation und Gespräch. „Einen derartigen Zuspruch hätte ich nicht erwartet“, sagt Kiy. Überrascht hat ihn auch der gute Besuch in den Gottesdiensten, die 14-tägig stattfinden. Da wird Klartext gesprochen und wenn jemand den Inhalt der Predigt nicht versteht, kommt die Rückmeldung sofort. Kiy: „Die Männer sind klar in ihren Ansagen und erwarten eine ehrliche Antwort.“

Zu den besonderen Momenten in der Arbeit des Gefängnisseelsorgers gehört es, wenn ein Insasse anfängt, sich und seine Taten zu hinterfragen. „Wenn jemand fragt, was habe ich nur getan, was ist los gewesen, wie konnte es soweit kommen?“ Oder wenn jemand nach Möglichkeiten sucht, etwas wieder gut zu machen. Auch das ist ein herausragender Lichtblick.

Wer sich für die Geschichte von Justiz und Strafvollzug im Nationalsozialismus interessiert, kann die Gedenkstätte in der JVA Wolfenbüttel besuchen. Träger ist die Stiftung niedersächsische Gedenkstätten. Es gibt auch öffentliche Führungen. Weitere Infos unter Telefon 05331-9355010 oder www.wolfenbuettel.stiftung-ng.de

Gefängnisseelsorger Berndhard Kiy vor der Justizvollzugsanstalt in Wolfenbüttel. Foto: Rosemarie Garbe

Beitrag von Rosemarie Garbe