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07.06.2024 Kategorie: Propstei, Wort zum Sonntag

Wort zum Sonntag, 08.06.2024

hörig und gelenkig ...

Neu gewählte Kirchenvorstände werden im juni eingeführt. Wie hörig und gelenkig sollte ein Kirchenvorstand sein? Beide Worte irritieren:  Wie? Hörig und gelenkig?

Hörig ist ein Wort, das aus überwundener Zeit herüberklingt. Hörig, jemandem gehören wie ein abhängiger Bauer den Landherren, fremder Autorität zu Dienst sein. Das passt nicht zum Selbstverständnis freier, verantwortungsvoller, protestantisch eigenständiger und unterschiedlicher Menschen.

Gelenkig lässt zunächst an Gymnastik, Sport, Akrobatik, denken. Ein Gemeindeleitungsgremium mag auch ein Team sein, aber geht es um klettern, turnen, Tanz? Wie? Gelenkig?

Beides trägt eine körperliche Dimension in sich: „hörig“ verweist uns aufs Ohr, „gelenkig“ auf das Zusammenspiel der unterschiedlichen Glieder des Körpers.

Das Ohr ist unser offenstes Organ, das sich im Grunde nicht verschließen lässt. Pippi Langstrumpf sagte einmal, man bekomme im Leben eine Menge zu hören, bevor einem die Ohren abfallen. Anregungen, wohin es mit der Kirche gehen müsste, Kritik an dem, was missfallen hat oder unzufrieden machte, Aufgabenstellungen, die sich aus kirchenrechtlichen Regelungen oder laufenden Projekten der Gemeidearbeit ergeben. Und und und. Eine große Vielstimmigkeit liegt einem Kirchenvorstand in den Ohren. Dringlichkeitslisten beim Bau, Positionierungsfragen zu wichtigen gesellschaftlichen Themen. Der Auftrag, Schutzkonzepte zur Prävention sexualisierter Gewalt zu erstellen. Hier und da auch ein Dank für den Einsatz im Hintergrund. Das meiste, was zu den Ohren vordringt, macht Druck nach vorne, fordert oder bremst, stellt Fragezeichen in den Raum.

Du brauchst die Kunst, ein Ohr am Puls der Zeit zu haben und dich mit Stimmen auseinander zu setzen, die viel Verschiedenes wollen. Und auch das noch zu hören, was niemand sagt und nicht ausreichend sich Gehör verschaffen konnte. Und ein Ohr für Christus, das eine Wort Gottes, das wir hören sollen. Lasst uns aber wahrhaftig sein in der Liebe und wachsen in allen Stücken zu dem hin, der das Haupt ist, Christus. Von ihm aus wird der ganze Leib zusammengefügt und zusammengehalten durch alle Gelenke und jede Verbindung, die den Leib nährt mit der Kraft, die einem jeden Teil zugemessen ist. So wächst der Leib und erbaut sich selbst in der Liebe. (Epheser 4, 15)

Ein Leib wird nur Geschmeidigkeit und koordinierte Bewegung entfalten, wenn Zellen, Organe, Glieder nicht bloß beziehungslos beieinander sind. Wenn die Körperteile machten, was sie wollen, gleicht es nur Gezappel. Nicht Hampelmann, nicht bloßes Skelett, das wir erst beleben müssten, nicht Marionette, ferngelenkt, soll eine Gemeinde sein. Gaben und Kompetenzen, Potentiale und Kraftreserven verbinden, Belastung mit tragen helfen, Schnittstellen und Verbindung  schaffen. Das tun die Gelenke.

Hören und gelenkig sein gehören zusammen in einer Leitungsfunktion. Sicher, es gibt auch was aufs Ohr und geht auf die Gelenke. Möge Segen darauf liegen. Und es gilt übrigens nicht nur in kirchlicher Leitung!  

 

Beitrag von Dietmar Schmidt-Pultke, Pfarrer DIE BRÜCKE