Am Anfang war eigentlich keine Zeit mehr. „Liebes, wir putzen gleich die Zähne und dann geht es ins Bett“, rufe ich Richtung Kinderzimmer. Die Dreijährige hat andere Pläne. „Ich mache jetzt noch ein Bild“, sagt sie und kramt Farbtöpfe und Pinsel aus der Schublade. Es ist schon spät. Das lohnt sich heute nicht mehr, denke ich laut.
Doch das Kind malt drauflos. Nach kurzer Zeit ist sie ganz vertieft. Gefühlvoll fliegt der Pinsel über das Papier. Und siehe. Es entstehen Sonnenstrahlen. Lila Vögel und sowas wie Sterne am Himmel. Bäume und riesige Hasen, die aussehen wie Seeungeheuer. Hin und wieder hält sie inne. Staunt und juchzt. „Ich mache hier noch Menschen mit Luftballons.“ Dann malt sie mich. Ich grinse. Sagen wir es mal so: Sie hat mich mit all meinen Ecken und Kanten getroffen. Zum Schluss sieht sie alles zufrieden an und befindet es für gut.
Ich bin angerührt. Von der Beherztheit, einfach anzufangen. Von der Leichtigkeit, mit der die Dreijährige spontan aus dem Bauch heraus kreativ ist. Und von dem so liebevollen Blick auf ihr Werk und ihre Geschöpfe. Ich wünsche mir das auch: mehr auf mein Bauchgefühl hören. Dinge trotzdem machen, obwohl andere finden, das lohnt sich nicht. Unvoreingenommener sein. Öfter staunen und juchzen.
Wie das wohl war, als Gott mich geschaffen hat? Spontan, kurz vor Feierabend? Oder von langer Hand geplant? Auf jeden Fall sah er mich in Liebe an und sagte: „Sehr gut.“ „Wirklich?“, frage ich leise. Da sind doch die Ecken und Kanten. „Doch, doch“, sagt Gott, „du bist wunderbar gemacht!“ Und wenn ich mein Kind in diesen Momenten malen sehe, dann ahne ich, wie er das meint.