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03.04.2023 Kategorie: Friedhof, Propstei

Friedhofsgeflüster -

der etwas andere Rundgang auf dem Braunschweiger Friedhof

"Der Braunschweiger Friedhof ist so schön, wenn Sie das erstmal verinnerlicht haben, dann wollen Sie hier gar nicht wieder weg..."

Cum grano salis, mit einer Prise Salz, sollte man die Zeitreise wohl nehmen, auf die Kunsthistorikerin Dr. Anja Kretschmer die Besucher am Sonntag, den 02.04.2023 auf dem Braunschweiger Friedhof mitgenommen hatte.

Als Schwarze Witwe berichtete sie über längst vergessenes Brauchtum: So sollte das Fenster geöffnet werden, damit die Seele des Verstorbenen entweichen konnte, Uhren mussten angehalten, Spiegel abgehängt werden. Die Hinterbliebenen sollten nicht zu lange um ihre Verstorbenen weinen, da die Tränen im übertragenen Sinne in die Erde fließen und das Leichenhemd des Toten durchnässen. Mit einem nassen Hemd kann der so weder schlafen noch Ruhe finden ...  Natürlich mag das Aberglaube sein, doch irgendwie hilft es bei allzu großer Traurigkeit so zu denken, sollen unsere Vorfahren es doch trocken haben.

Zu einigen Abbildungen von Totenkronen erfuhren wir, dass man über Jahrhunderte im deutschsprachigen Raum — und darüber hinaus — (eine Besucherin bestätigte den Brauch aus Großbritannien zu kennen) den unverheirateten Verstorbenen, Totenkronen als Lohn für die bewahrte Jungfräulichkeit und als Ersatz für die Brautkrone, die sie zu Lebzeiten entbehren mussten, gegeben hat. Sie waren das wichtigste Attribut des als Ersatzhochzeit und symbolische Himmelshochzeit verstandenen Ledigenbegräbnisses. Man gab sie den zu früh Verstorbenen mit ins Grab oder stellte sie als Gedächtnismale in den Kirchen aus. Für ihre Präsentation fertigte man gern hölzerne Konsolbretter mit Inschriften und anrührenden Trostsprüchen oder verglaste Gehäuse und Rahmen an.

Wer bei den Brüdern Grimm an schöne Kindermärchen dachte, wurde eines Besseren belehrt: Die Geschichte vom Totenhemdchen ist traurig, zeugt aber von einer Zeit in der Geschichten halfen, mit Leid umzugehen. (Ohne Chatgruppe im Internet, oder Austausch auf Instagram, blieb halt nur das Lesen...)

Wir durften noch einen Blick in das Mausoleum werfen, bevor die Führung endete – nicht ohne eine kleine Warnung. Vorsicht vor den Aufhockern, jenen unsichtbaren Geistern, die sich unbemerkt nach dem Friedhofsbesuch auf die Schulter der Lebenden setzen, um mit ihnen die Grenze der Friedhofsmauern zu überschreiten. Ein spezielles Salz zur Abwehr gab es, im kleinen Fläschchen, zum Abschied. Über die Schulter gestreut, sah man links und rechts doch wieder ein Lächeln über die Gesichter huschen, und die eine oder andere Besucherin, und auch der Besucher, hatten ein besseres Gefühl auf dem Nachhauseweg...

Blick ins Fotoalbum, Märchen und kleiner Filmeindruck im Anhang.

Dr. Anja Kretschmer als die Schwarze Witwe

Beitrag von der Propstei