Suche

Nachricht

04.07.2024 Kategorie: Propstei, Wort zum Sonntag

Wort zum Sonntag, 06.07.2024

Die nackte Wahrheit

Lustig und tiefsinnig war unlängst eine Predigt aus aktuellem Anlass. Um meine Pflanzen zu schützen, kroch ich nachts mit Stirnlampe durch den Pfarrgarten und sammelte Nacktschnecken. Und weil es in einem schönen Sommerlied heißt: „Wälder, Felder, jedes Tier zeigen Gottes Finger hier“, dachte ich darüber nach, was Gott wohl durch die Schnecken zeigen könnte. Schnecken und Zünsler, die sich in Scharen über meinen Salat und meinen Buchsbaum hermachen. Unverschämtheit.

Es kreucht und fleucht. Es schleicht und schleimt. Und es frisst... unentwegt frisst es, bis nichts mehr da ist. Die Spinnen und die Zecken, der Zünsler und die Schnecken. Alles ist Leben, das kreucht und fleucht und leben will. Genau wie wir.

Und alle sind sie Egoisten. Erst das Fressen, dann die Moral. Das gilt nun leider auch für viele Menschen. Meere werden leergefischt, Ressourcen aufgebraucht um des Gewinns Willen.
Wir könnten und sollten schlauer sein und nicht unentwegt verbrauchen bis nichts mehr da ist.

Was mir die Nacktschnecken noch zeigten, war ihr spannendes Geschlechterverhältnis. Sie sind nicht so eindeutig männlich oder weiblich, oder sind beides zugleich. Spannend, bei all der Aufregung über Genderthemen. Es erinnerte mich an ein Bibelwort: In Christus ist nicht Jude oder Grieche, nicht Sklave oder Freier, nicht männlich oder weiblich. Es gibt ein höheres Sein! Höher als irgendeine Volkszugehörigkeit, als gesellschaftlicher Status, als geschlechtliche Identität.

Wie wunderbar ist das, dass es eine Dimension in Gott gibt, wo all diese Dinge nicht von Belang sind, sondern einzig und allein ob wir in Christus sind. Das ist erstrangig.
Und damit ein Dankeschön an die Schnecken für Erinnerung an nackte Wahrheiten.

Schleichen sich die Schnecken an, heißt es: Rette sich wer kann!

Beitrag von Sandra König, Pfarrerin Kirchengemeinde Martin Chemnitz