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05.02.2022 Kategorie: Propstei, Wort zum Sonntag

Darf ich an Gott zweifeln?

Wort zum Sonntag am 06. Februar 2022

„Darf man an Gott zweifeln?“ fragte mich neulich eine Konfirmandin. Tun wir das nicht alle manchmal? dachte ich und fragte zurück: Woran genau zweifelst du denn?

Dass Gott ein paar menschliche Zweifel aushält, steht hoffentlich nicht in Frage. Interessant wird es bei dieser konkreten Frage: Woran genau zweifeln Sie, wenn Sie anfangen an Gott zu zweifeln?

Ganz allgemein an der Existenz Gottes? Wer an Gott nicht glaubt, hat keine Zweifel daran, wie Gott sich verhält oder nicht verhält, ob Gott Leiden zulässt oder verhindert, ob Gott eine Person ist oder eher eine abstrakte Kraft …

Zweifeln bezeichnet gerade keine feststehende Meinung sondern ein sehr genaues Überlegen, ein Hin- und Herschwanken zwischen verschiedenen Möglichkeiten, stutzig werden und mich genauer mit etwas beschäftigen: Warum nenne ich Gott „Vater“, wenn ich von einem Gott doch viel mehr erwarte, als ein Vater je sein und geben und leisten kann? Was genau kann ich von Gott erwarten? Stehen meine hohen Erwartungen an Gott nicht auch manchmal im Widerspruch zueinander? Etwa wenn ich einerseits erwarte, dass Gott das Leid der Welt verhindert, und andererseits aber doch auch darauf bestehe, dass Gott mir meinen freien Willen, meinen Verstand, meine Gefühle gegeben hat und mir nicht vorschreibt oder gar vorherbestimmt, was ich tun und denken soll.

Und was machen Sie sich so für Gedanken und Überlegungen und Vorstellungen von Gott? Versuchen Sie es mal: Widersprüche aussprechen und Fragen stellen, Hoffnungen gegen Befürchtungen abwägen, nachsinnen, philosophieren und theologisieren, spekulieren und argumentieren, … zweifeln eben.

Ein zweifelsfreier, festgelegter, absoluter Gott wäre eine Unmöglichkeit, ein Götzenbild, eine Gotteslästerung, oder? Ich glaube, liebe Konfirmandin, dass Gott unser Zweifeln nicht nur aushält, sondern sogar braucht um lebendig und kraftvoll zu bleiben.