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27.07.2024 Kategorie: Propstei, Wort zum Sonntag

Wort zum Sonntag, 27.07.2024

Fremde überall - so lautet das Motto der 60. Venedig Biennale

Stranieri Ovunque - Foreigners Everywhere

Sommerzeit ist Reisezeit. Während ich diese Zeilen schreibe, sitze ich im Zug nach Venedig. Mir gegenüber sitzen drei dänische Jugendliche mit einem Interreal-Ticket, die von einem österreichischen Servicemitarbeiter nach ihrer Kundenzufriedenheit befragt werden. Vor mir ein junges Pärchen, das sich auf Englisch unterhält, während der Zug bei jedem Halt die Ankündigung auf Deutsch, Englisch und Italienisch wiederholt. Fremde überall - so lautet das Motto der 60. Venedig Biennale „Stranieri Ovunque - Foreigners Everywhere“. Adriano Pedrosa hat als portugiesischer Kurator das Thema bewusst für diese Kunstausstellung in Italien gewählt. Es stammt von einem Turiner Kollektiv, das in den 2000er Jahren gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit revoltierte. Im Wort „straniero“ schwingt neben „fremd“ auch „Außenseiter“ mit. So versteht sich Adriano Pedrosa und möchte als Grenzgänger und Außenseiter vermitteln zwischen Nord und Süd, zwischen unterschiedlichen Lebensentwürfen und Haltungen. Gezeigt werden Werke von unbekannten, indigenen und queeren Künstlern. Kann eine solche Ausstellung neue Perspektiven eröffnen? Oder sind die Besucherinnen und Besucher nicht ohnehin schon offen für das Fremde?

Vor kurzem begegneten sich Fußballfans aus verschiedenen Ländern in unseren Städten, aber sind das Fremde? Sind Gastgeber an den vielen Urlaubsorten Fremde? Oder nutzen wir das Wort nicht eher im Sinne von „nicht zu uns gehörig“? So wie es die französische Philosophin Julia Kristeva formulierte: „Der Fremde entsteht, wenn in mir das Bewusstsein meiner Differenz auftaucht, und er hört auf zu bestehen, wenn wir uns alle als Fremde erkennen“. Oder mit den Worten Jesu: „Ich bin ein Fremder gewesen und ihr habt mich aufgenommen“ (Mt 25, 35).  Für mich ist die Urlaubszeit eine wunderbare Gelegenheit positive Erfahrungen mit dem Fremden zu machen, an anderen Orten, mit inspirierenden Themen und mir unbekannten Menschen. Denn das Fremde ist Teil von mir.

 

Beitrag von Pfarrerin Kerstin Vogt, Direktorin des Theologischen Zentrums Braunschweig