Suche

Nachricht

14.06.2024 Kategorie: Propstei, Wort zum Sonntag

Wort zum Sonntag, 15.06.2024

Chips im Grab ...

Trauerfeier für einen Bewohner des Diakonieheims.
Wir stehen vor der Kapelle. Sozialarbeiterinnen, Mitbewohner, der Bestatter und ich.
Wir tauschen Geschichten über ihn aus.

 

Über sein Leben. Ein Leben, das einen Knacks bekommen hat, weil er nach einem Fluchtversuch im DDR-Knast landete. Danach kam er nie wieder richtig im Leben an.

Aber auch um seine Macken geht es. Er und seine Cola! Und jeden Tag ein Eis. Erzählen sie. Und Chips! Er hat immer Chips gegessen. Eigentlich müssten wir ihm eher sowas ins Grab werfen, überlegen wir lachend.

Dann geht es in die Kapelle. Wir hören seine Lieblingsmusik: Johnny Cash, Beatles. Hoffen auf einen Gott, der die Ungerechtigkeit des Lebens irgendwie ausgleicht.

Danach wartet der Bestatter am Ausgang: Am Grab ist alles vorbereitet, raunt er mir zu. Ich überlege noch, was das bedeuten könnte. Am Grab sehe ich es dann: Auf dem Ständer, wo die Erde wartet, die ins Grab geworfen wird, steht eine Tüte Chips.

Ungläubig schauen wir uns an. Lachen. Es wird gesät verweslich und auferstehen unverweslich, sage ich, und werfe eine Handvoll Chips ins Grab. Es wird gesät in Niedrigkeit und wird auferstehen in Herrlichkeit. Und die nächste Handvoll Chips rieselt auf den Sarg. Es wird gesät in Schwachheit und wird auferstehen in Kraft. Die dritte Portion.

Auf dem Weg zurück greifen wir alle nochmal in die Chipstüte. Lassen noch ein bisschen was drin und nehmen sie mit. Für die anderen Bewohner, die nicht dabei sein konnten. Immer wieder schauen wir uns ungläubig und glücklich an.

Hier ist gerade etwas gelungen: ein würdiger Abschied - mit Chips im Grab.

Möge Gott ihn aufnehmen in seinen Frieden.

--

 

Abb. Pixabay, M. Iksan

Beitrag von Jakob Timmermann, Pfarrer in St. Michaelis