Als seine Mutter 102 Jahre alt ist, will er mit ihr darüber sprechen, was wirklich wichtig ist im Leben. Wenn der Sohn sie besucht, bringt er ein Tonband mit. Miteinander sprechen die beiden über Gott und die Welt, über das Leben, den Tod und die Erwartung danach. Schließlich macht der Sohn, es ist der bekannte Künstler André Heller, ein kleines Buch voll großer Weisheit daraus. „Uhren gibt es nicht mehr“ lautet der Titel.
Einmal fragt der Sohn: „Mami, sag mal, wie sind die Menschen?“ Seine Mutter Elisabeth zögert nicht und sagt: „Sie überschätzen sich.“ Dem Sohn genügt das nicht. Er fragt nach: „Was meinst du, Mami, was müssten die Menschen dringend lernen?“ Die alte Mutter antwortet mit klarem Sinn: „Bescheidenheit und Güte“.
Am Ende sieht man oft klarer. Wer 102 Jahre alt ist und viel Leben gehabt hat, der darf man ein Urteil zutrauen. Mehr Bescheidenheit und Güte können nicht schaden. Menschen sind oft nicht so wichtig, wie sie sich geben. Wie viele Pläne und Wünsche waren wie Seifenblasen, die schnell zerplatzt sind? Welche Gedanken waren nur so dahingesagt? Niemand wird sich daran erinnern. An die Güte schon eher.
An Menschen mit gütigem Herzen denken wir gerne. Sie haben uns Mut gemacht, Hoffnung geschenkt, von ihrem Glauben erzählt und davon, dass Gott uns Menschen liebt, auch wenn wir Fehler machen. Güte heißt nicht, alles zu entschuldigen, was andere sagen oder tun. Aber Güte behält sich die Größe, auch mal darüber hinwegsehen zu können.
„Was meinst du, Mami, was müssten die Menschen dringend lernen?“
„Bescheidenheit und Güte.“ Wer will, kann diesen Gedanken auch adventlich hören mit einem Satz des Apostels Paulus: „Eure Güte lasst kund sein allen Menschen, denn der Herr ist nahe!“ (Philipper 4,5) Ich höre das so: Habt den Mut, euch auf das zu besinnen, was Gott in eurem Leben an Gutem gewirkt hat. Denkt darüber nach, was das bedeutet, und freut euch dann so, dass ihr auch andere zum Strahlen bringt. Wo jemand gütig ist, wird weniger Furcht vor dem Leben sein.