"Was zieht der Sheriff?" - "Den Hut". Mich freut die Antwort meines erwachsenen Sohnes beim Spiel Tabu. Du musst Worte, die geraten werden sollen, umschreiben, darfst aber viele naheliegende Begriffe nicht benutzen. Ich sollte 'Revolver' umschreiben."Was zieht der Sheriff?"
Der Junge ist so zivil, dass er mit "den Hut" antwortet, dabei hat er nicht einmal erlebt, dass alle Männer fast Hut tragen wie ich noch in meiner Kindheit. Ich bin sicher, Donald Trump, und viele viele Zeitgenossen hätten, wie aus der Pistole geschossen den Revolver genannt. Kein Punkt im Spiel, aber für mich ein Bonuspunkt für das Menschsein. Gut gesprochen!
God (=gut) spel (=sprechen) wurde im Altenglischen aus dem Kirchenlatein die Verkündigung des Evangeliums, der guten Nachricht übersetzt. Daraus wurde das Wort gospel für Evangelium. In unserem Kulturbereich verbinden wir mit Gospel vor allem die aus afroamerikanischer Tradition kommende spirituelle Musik. Rhythmisch freudig wird Gott gelobt, Freude über Liebe und Befreiung besungen. Oder im Wechsel von Sologesang und vierstimigem Chor Zeugnis abgelegt von Not und Verzweiflung und der Hilfe, die ein Mensch durch Christus oder Gottes Wegweisung erfahren hat.
An diesem Samstag beteiligen sich in der Bundesrepublik viele Gospelchöre bei Benefizkonzerten für Brot für die Welt oder wie der Embrace Gospel Chor in St. Georg auch für die Hospizarbeit. Ein merkwürdiger Gedanke, dass in vielem ganz anders gesinnte Wählerinnen, die dem neuen Präsidenten die Stimme gaben, solche Gospelmusik mögen und singen wie wir. Als ob dieselben Worte des Glaubens auch ganz anders ausbuchstabiert werden können.
Und da erinnere ich mich an das Filmmusical Godspell aus den frühen siebziger Jahren. Von einer kleinen bunten Gruppe, verschiedene Frauen, Männer in clownsartiger Kleidung, Schwarze und Weiße wird das Leben Jesu erzählt, gespielt. Mitten in New York.
Am Beginn verlassen alle ihr bisheriges Umfeld, werfen Handtasche oder Werkzeug von sich, erleben in einem Brunnen eine Art Taufe. Dann inszenieren sie mit rockmusikalisch unterlegten Songs biblische Szenen und bringen die pointierten Gleichniserzählungen Jesu oder die Seligpreisungen wie eine Straßentheatergruppe mit viel Spass und Humor, mit Gospel, Tanz und Comedy vor Augen.
Sie buchstabieren förmlich Gott in der Nähe der Menschen noch einmal neu nach. So ließe sich der Filmtitel auch übersetzen. Alle sind beteiligt und verleihen den Geschichten Farbe.
Jesus endet an einem elektrisch geladenen Metallgitterzaun, das rote Licht der Polizeiwagen mischt sich in die Szenerie. Von der Gruppe der Anhänger wird der Tote singend in die Stadt getragen. Zuletzt sieht man lauter Alltagsmenschen den Bürgersteig bevölkern. Auch im Amerika nach der Wahl wird mitten darin the gospel Leute finden und neu befreien.
Hut ab!